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Frühlingsbiene ist „Wildbiene des Jahres“

Frühlings-Seidenbiene, colletes cunicularius

Das Kuratorium „Wildbiene des Jahres“ hat für 2023 eine Biene gewählt, die auf den ersten Blick unserer Honigbiene ähnelt; die Frühlings-Seidenbiene oder auf Lateinisch colletes cunicularius. Sie gehört zur Gattung der Seidenbienen, die in Deutschland 14 Arten umfasst.

Als eine der ersten Wildbienen im Jahr fällt die Frühlings-Seidenbiene schon im März an ihren Nistplätzen durch ihr Schwärmverhalten auf. Im Gegensatz zu den anderen Seidenbienen trägt die Frühlings-Seidenbiene nur undeutliche Haarbinden auf dem Hinterleib. Die Weibchen wirken durch die dichte Behaarung an Kopf und Brustsegment sehr kompakt. Frisch geschlüpfte Tiere tragen ein lebhaft rostbraun gefärbtes Haarkleid auf dem Brustsegment, das an den Seiten und zur Unterseite hin allmählich heller wird. Der Kopf ist vor allem bei den Männchen heller behaart. Mit 11 bis 14 mm Körpergröße ist die Art die größte Seidenbiene in Deutschland.

Weidenblüten besonders beliebt

Die Frühlings-Seidenbiene ist eine der ersten Wildbienen im Jahr, die aufgrund der häufig großen Zahl von Tieren an ihren Nistplätzen schon im März auffällt. Vor rund 20 Jahren galt die Art noch als streng auf Weidenblüten spezialisiert. Heute weiß man, dass ihr Blütenbesuch wesentlich flexibler ist und sie nicht ausschließlich vom Angebot an Weidenpollen abhängt. Auch die frühe Blüte von Obstbäumen, Ahornen oder Eichen wird genutzt. Dennoch zeigt die Frühlings-Seidenbiene eine deutliche Bevorzugung von Weidenblüten (Salix).

Die Wildbiene des Jahres 2023 ist eine ausgesprochene Pionier-Art. Sie ist in der Lage, neu entstehende Lebensräume zu besiedeln. Ursprünglich sicher eine Bewohnerin der Flussauen mit ihren Uferwäldern und -gebüschen, kommt die Frühlings-Seidenbiene regelmäßig in flussnahen Sand- und Kiesgruben und auch im Siedlungsraum vor. Ihre Nester legt sie auf ebenen oder schwach geneigten Flächen an, häufig in Hochwasserdämmen, mageren Wiesen oder auch in Sandkästen von Spielplätzen. Pro Nest werden bis zu sechs Brutkammern am Ende von Gängen angelegt, die bis zu 50 cm in das Erdreich führen.

Auf nicht oder nur schütter bewachsenen Bodenstellen, bevorzugt in sandigem Substrat, können Frühlings-Seidenbienen große Kolonien bilden, in denen mehrere hundert Weibchen ihre Nester anlegen. Das erweckt den Eindruck, als handele es sich um einen Staat aus vielen Arbeitsbienen wie bei der Honigbiene. Doch colletes cunicularius ist eine Solitärbiene, d. h. jedes Weibchen versorgt das eigene Nest unabhängig von der oft sehr zahlreichen Nachbarschaft. Das Versorgen der Brutzellen mit Pollen dauert etwa sechs Wochen, dann sterben die Weibchen. Im Mai scheinen die Niststätten daher „verwaist“ zu sein. Im Boden entwickeln sich die Larven zur neuen Seidenbienen-Generation, die früh im kommenden Jahr ausfliegt.

Regelmäßig auch in Sandkästen anzutreffen

Durch das häufige Vorkommen im Siedlungsraum kommt es immer wieder zu Begegnungen von Menschen mit der Biene des Jahres 2023. Ihr Nistverhalten sorgt immer wieder für Aufregung, denn regelmäßig siedeln sich die Bienen in Sandkästen von Spielplätzen und Kindertagesstätten an. Oft sehen Erzieherinnen und Eltern darin eine Gefahr für die Kinder. Zu Beginn der Flugzeit sind jedoch die auffällig „hektischen“ Männchen unterwegs, die gar keinen Stachel haben. Die dann fliegenden Weibchen besitzen einen sehr schwachen Stachel, den sie nur in äußerster Gefahr einsetzen, etwa, wenn sie in der Hand gequetscht werden. Ein solcher – sehr seltener – Stich ist harmlos, allergische Reaktionen sind nicht bekannt. Die Weibchen fliegen gezielt ihre Nester an und bringen den Pollen rasch in die Brutkammern.

Das Management einer solchen Nistkolonie ist einfach: Am besten wird der am intensivsten angeflogene Bereich durch Holzpflöcke und ein gestreiftes Flatterband gekennzeichnet. Dort sollten keine Kinder spielen, um die Brut der geschützten Seidenbienen zu erhalten. Nach etwa sechs Wochen ist die Flugzeit vorüber, die Nester sind versorgt und verschlossen, alle adulten Seidenbienen sind gestorben. Der Sandkasten gehört nun wieder ganz den Kindern.

Foto: Ulrich Maier